Praxis – Religion und Gesellschaft 26.4.2023

Stinkesocke und Real-Fakes

Der Fall „Jule Stinkesocke“ | Neues Buch von Amani Abuzahra | Debatte über Kinderbeichte | Friedensvermittler Sant’Egidio

Real-Fake – Der Fall „Jule Stinkesocke“

Eine querschnittsgelähmte Hamburger Ärztin, Rollstuhlfahrerin, schreibt unter dem Pseudonym „Jule Stinkesocke“ 14 Jahre lang auf ihrem Blog und auf Twitter über ihr Leben, ihren Alltag. Sie wird mit Preisen ausgezeichnet, weil sie Awareness für das Leben von Menschen mit Behinderung schafft. Vor kurzem ist aufgeflogen: Es gibt sie gar nicht. Jule Stinkesocke ist eine Kunstfigur, ein Fake.

Praxis
Mittwoch, 26.4.2023, 16.05 Uhr, Ö1

Unter „Real-Fake“ versteht man eine künstliche Identität, die so echt wirkt, dass sie auf den ersten Blick absolut nicht erkennbar ist. „Also Menschen, die mit wahnsinnig viel Aufwand einen Menschen im Internet neu erschaffen: mit Bildern, mit perfekter Lebensgeschichte, wahnsinnig detailliert, seine Echtheit durch Fake-Accounts von Familienmitgliedern oder Freunden noch einmal untermauert“, erklärt Victoria Schwartz, Kommunikationsdesignerin und Mediatorin, die auch Opfer von Real-Fakes berät. Warum machen Menschen so etwas? Kann ein Fake dennoch etwas Gutes bewirken? Oder raubt er realen Betroffenen die Aufmerksamkeit, dient vielleicht sogar einer Fetischisierung? Wie „real“ kann ein „Fake“ sein? – Gestaltung: Lisa Ganglbaur

Wut und Rassismus

Was macht Rassismus mit Gefühlen? Wer darf seine Gefühle ausleben, wer nicht? Wird allen Menschen in Österreich gleichermaßen zugestanden, ihre Gefühle öffentlich zu zeigen? Diese Fragen beschäftigen die Philosophin und Autorin Amani Abuzahra in ihrem neuen Buch „Ein Ort namens Wut“.

Buchhinweis:
Amani Abuzahra, „Ein Ort namens Wut“, Verlag Kremayr & Scheriau

Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund würden oft nicht einmal auf die Idee kommen, wütend sein zu dürfen, hat auch die Studentin Fariza Bisaeva festgestellt. Allzu oft bekämen sie dann nämlich zu hören, sie sollten doch „nicht so empfindlich“ sein, „dankbar“ oder überhaupt „nach Hause zurückgehen“. Doch wer die eigene Wut immer nur hinunterschluckt, wird über kurz oder lang krank, seelisch und körperlich, erklärt der Psychologe Claus Lamm. – Gestaltung: Mariella Kogler

Deutschland: Debatte um die Kinderbeichte

In den Wochen nach dem Osterfest haben zehntausende katholische Kinder ihre Erstkommunion gefeiert oder bereiten sich gerade darauf vor. Diesem Sakrament der Eucharistie geht traditionsmäßig jenes der Beichte voraus. Daran allerdings wird nun in mehreren Diözesen Deutschlands Kritik laut. Es sei unangemessen, dass Kinder, deren Bewusstsein für Schuld und Sühne noch nicht ausgereift sei, einem Priester ihr Innerstes preisgeben. Befeuert wird diese Kritik auch durch die anhaltenden Enthüllungen von Skandalen der sexualisierten Gewalt gegen Minderjährige innerhalb der katholischen Kirche. Ist die Erstbeichte für Kinder noch zeitgemäß? Aus Berlin berichtet ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer.

Sant’Egidio als Friedensvermittler

Dass der Südsudan eine zwar kurze, aber dafür sehr konfliktreiche Geschichte hat, ist eher bekannt, als dass eine christliche Laiengemeinschaft seit Jahren die Friedensverhandlungen zwischen den einzelnen Konfliktparteien führt. Unter der Leitung der Gemeinschaft Sant’Egidio hat erst vor Ostern wieder eine Gesprächsrunde in Rom stattgefunden.

Als 1968 der damals 18-jährige Student Andrea Riccardi Sant’Egidio mit ein paar Gleichgesinnten ins Leben gerufen hat, war die Entwicklung der Gruppe zu einer international agierenden Organisation nicht absehbar. Aber mit dem Evangelium als Grundlage und den drei Grundpfeilern Gebet, Frieden und Sorge für die Armen hat sich Sant’Egidio einen Namen weit über die Grenze Italiens hinaus gemacht. ORF-Korrespondent Alexander Hecht hat mit dem Verantwortlichen für internationale Beziehungen von Sant’Egidio Deutschland über die Friedensinitiativen der Gemeinschaft gesprochen und einen Blick hinter die Kulissen der erfolgreichen Krisendiplomatie von Nicht-Diplomaten werfen können.

Moderation: Alexandra Mantler