Mittwoch, 17.4.2024, Wolfgang Müller-Funk

Romantisch, schamlos und obszön

Zum 200. Todestag von Lord George Gordon Byron. George Gordon Byron beherrscht die Kunst der Inszenierung, das Theatralische, Schamlose, Obszöne.

„Ich liebe Frauen. Oft wünsch ich umzukehren
Den Wunsch Caligulas, nur einen Hals
Der Menschenart auf einmal abzuscheren.
So groß ist nicht mein Wunsch, doch jedenfalls
Gar zart (…), einst als ich jung war,
dass alle Frauen haben müssen
nur einen Mund, auf einmal sie zu küssen.“

Wolfgang Müller-Funk
ist Literaturwissenschaftler

Lord und Dichter

Romantisch verwischen sich in seiner Performance die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Poesie, zwischen dem standesgemäßen Lord und dem anarchischen Dichter. Seine unzähligen Affären beeinträchtigen nicht den Ruhm, sondern steigern diesen publikumswirksam. Die Zahl der Verehrerinnen wächst beständig, die Korrespondenz wird zu einem schwierigen Unterfangen. Der 26-jährigen Caroline Lamb etwa, die mit dem liberalen Politiker und späterem Premierminister William Lamb verheiratet ist, schreibt er unumwunden:

„Ich hielt Sie nie für verschlagen, wir alle sind selbstsüchtig, die Natur schuf uns so (…) Jedes Wort, das Sie sprechen, jede Zeile, die Sie schreiben, beweist, dass sie entweder aufrichtig sind oder eine Närrin, da ich nun weiß, dass Sie nicht das eine sind, muss ich sie für das andere halten.“

Buchhinweis
Richard Schuberth, „Lord Byrons letzte Fahrt. Eine Geschichte des Griechischen Unabhängigkeitskrieges“, Verlag Wallstein