Kardinal Scherer: Der „Dom“ aus Brasilien

Als Oberhirte der größten katholischen Stadt der Welt hat Kardinal Odilo Scherer eine gewichtige Position, die ihn zu einem der Favoriten auf das Papstamt aus Lateinamerika macht.

Die aussichtsreichsten Papst-Kandidaten

religion.ORF.at stellt von 6. bis 11. März die aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Papst Benedikt XVI. vor.

Der Kardinal der größten katholischen Stadt der Welt wird nicht nur in lateinamerikanischen Medien, sondern längst auch in der italienischen „Repubblica“ als „Papabile“ gehandelt: Der Name Odilo Pedro Scherer (63), seit 2007 Erzbischof von Sao Paulo, findet sich in allen Favoritenlisten und Aufzählungen möglicher Top-Kandidaten des Konklaves an den vordersten Stellen.

Der sprachgewandte Kardinal aus Brasilien gilt als bestens vernetzt und verfügt über starke Rückendeckung im Vatikan. Er wird zum konservativen Flügel der brasilianischen Kirche gezählt, würde aus europäischer Sicht aber wohl als moderater Konservativer durchgehen.

Kardinal Odilo Pedro Scherer

REUTERS/Paulo Whitaker

„Dom Odilo“ wacht als Erzbischof von Sao Paulo über die größte katholische Stadt der Welt, ist aber gleichzeitig auch im Vatikan gut vernetzt

Odilo Pedro Scherer wurde am 21. September 1949 im Bundesstaat Rio Grande do Sul als eines von elf Kindern geboren. Seine Vorfahren wanderten in den 1880er Jahren aus dem Saarland nach Brasilien aus. Die Kardinalswürde scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein: Onkel Alfredo Vicente, gestorben 1996, war Erzbischof von Porto Alegre und ebenfalls Kardinal. Weltbekannt wurde das Familienmitglied des jetzigen „Papabile“ im Zuge seiner Entführung im Jahr 1980, aus der er weitgehend unbeschadet wieder frei kam.

Odilo Scherer nahm sich den Lebenslauf seines Onkels offenbar zum Vorbild: Er studierte katholische Theologie, Philosophie und Bildungswissenschaften. 1976 wurde er zum Priester geweiht. Es folgten vertiefende philosophische Studien an der Gregoriana in Rom, am Päpstlichen Brasilianischen Pius-Kolleg promovierte er außerdem zum Doktor der Theologie. Sein Wissensdrang führte Scherer an weitere Universitäten in Brasilien, Deutschland, Frankreich und England. Scherer spricht neben seiner Muttersprache Portugiesisch fließend Englisch, Italienisch und Deutsch.

Umfassende Lehrtätigkeit

Damit schien eine Professorenlaufbahn vorausprogrammiert: Scherer wurde Rektor und Professor am Priesterseminar in Cascavel im brasilianischen Bundesstaat Parana, dann am Diözesanseminar in Toledo, wo er von 1985 bis 1988 auch als Seelsorger arbeitete, sowie wiederum in Cascavel am Theologischen Zentrum. Lehrtätigkeiten an philosophischen und theologischen Fakultäten komplettierten das breite Wirken Scherers auf der Hochschulebene.

Von 1994 bis 2001 arbeitete Scherer an der Bischofskongregation im Vatikan. Papst Johannes Paul II. ernannte Scherer am 28. November 2001 zum Weihbischof von Sao Paulo, im Februar des nächsten Jahres erfolgte die Bischofsweihe. Papst Benedikt XVI. berief ihn schließlich am 21. März 2007 in sein jetziges Amt als Erzbischof von Sao Paulo. Am 24. November desselben Jahres wurde er in das Kardinalskollegium aufgenommen.

Einsatz für gerechte Landreform

Odilo Pedro Scherer, in Brasilien auch „Dom Odilo“ genannt, setzt in der 15-Millionen-Metropole Sao Paulo auf junge charismatische geistliche Gemeinschaften, um die katholische Kirche gegen die aufstrebenden Pfingstkirchen zu positionieren. Immer wieder prangert der Erzbischof von Sao Paulo Menschenrechtsverletzungen, Korruption in der Politik und Sklavenarbeit an. Als eine Ursache für die anhaltende Gewalt in ländlichen Regionen weist Scherer immer wieder auf Ungerechtigkeiten bei der Landvergabe und -verteilung hin. Er gilt als entschlossener Fürsprecher für eine gerechte Landreform.

Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Solidarität im Namen des Evangeliums ist für Scherer Verdienst der Befreiungstheologie. Dennoch sei - wie er meint - die Zeit der Befreiungstheologie vorüber. Sie beinhaltet für Scherer eine gefährliche Tendenz, wenn der Glaube auf eine politische Ideologie verkürzt werde. Ganz im Sinne Papst Benedikts XVI. prangert Kardinal Scherer immer wieder den „Werterelativismus“ an; Korrektiv gegen eine von ihm sogenannte „Kultur des totalen Subjektivismus“ müsse die Katholische Soziallehre sein.

religion.ORF.at/KAP

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