Anne Franks Erbe: „Urtext der Auseinandersetzung mit der Shoah“

Das „Orientierung-Sommerprogramm“ – an drei Sonntagen vom 19.7. bis inklusive 2.8. – bietet auch in diesem Jahr ausgewählte „Beiträge zum Wiedersehen“: Anne Franks Erbe: „Urtext der Auseinandersetzung mit der Shoah“ | 75 Jahre Auschwitz-Befreiung: Zeitzeuge Benno Kern erinnert sich | Tücken der Erinnerung: Wem gehört Bonhoeffer? | Verführer Adolf Hitler: Gefügige Massen, skrupellose Macht

Sendungsprofil Orientierung

ORF

19.7.2020, 12.30 Uhr, ORF 2
21.7.2020, 9.00, ORF III
25.7.2020, 11.30 Uhr, ARD ALPHA

Anne Franks Erbe: „Urtext der Auseinandersetzung mit der Shoah“

Vor 75 Jahren – im Jahr 1945 – starb die damals 15-jährige Anne Frank im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Das genaue Datum ihres Todes ist bis heute unklar, niederländische Behörden hatten nach Kriegsende den 31. März als Todesdatum festgesetzt, jüngsten Forschungen zufolge ist das Mädchen im Februar gestorben – an Typhus.

Ihr Vermächtnis: ein kleines und doch großes Büchlein, „Das Tagebuch der Anne Frank“. Allein in Deutschland wurden bis heute 4,5 Millionen Exemplare des Buchs verkauft, weltweit geschätzte 70 Millionen in rund 70 Sprachen.

Geschrieben wurde das Tagebuch im Versteck der Familie – in einem Hinterhaus in Amsterdam, wo sich zwischen 1942 und 1944 acht Jüdinnen und Juden Hitlers Suchtrupps letztlich vergeblich zu entziehen versuchten. Anne Frank schrieb – stets unter dem Damoklesschwert eines möglichen Verrats – u. a. über ihre Lage, ihre erste Liebe, über das Leid der Juden sowie über ihren Glauben.

Die „Orientierung“ hat mit dem Anne-Frank-Experten Raphael Gross gesprochen – über den Leidensweg des Mädchens und die Wirkungsgeschichte des Tagebuchs der Anne Frank.

Bericht: Klaus Ther

75 Jahre Auschwitz-Befreiung: Zeitzeuge Benno Kern erinnert sich

„Das kann man sich nicht vorstellen!”, so ringt Benno Kern, Shoa-Überlebender und ehemaliger Auschwitz-Häftling um Worte, wenn er nach seinen Erinnerungen an die Zeit im Konzentrationslager gefragt wird.

Ob er von der Flucht aus Wien, den Erlebnissen im Viehwaggon während der Deportation nach Auschwitz oder der sogenannten „Selektion“ an der berüchtigten Rampe erzählt – immer wieder entkommt dem gläubigen Juden der Satz „Das kann man sich nicht vorstellen!”.

Doch dann berichtet er von seinen Erfahrungen im Vernichtungslager: die tägliche Folter, das Auspeitschen, das Aufhängen an den Händen auf dem Rücken, die Ohnmacht der Häftlinge angesichts der Wehrlosigkeit. Als das Konzentrationslager Auschwitz im Jänner 1945 durch die „Rote Armee“ befreit wird, ist Benno Kern gemeinsam mit seinem Vater Salomon bereits auf einem Todesmarsch nach Buchenwald.

Den erschossenen Vater muss er im Schnee zurücklassen. Nach der Befreiung in Buchenwald im April 1945 kehrt er als einziger Überlebender seiner Familie nach Wien zurück. 13 Jahre später heiratet er. Mittlerweile feiert der gebürtige Wiener mit seiner Frau Fryda – nicht selten gemeinsam mit Kindern, Enkeln oder Urenkeln – mehr als 90 Familiengeburtstage im Jahr.

Bericht: Dorit Muzicant, Klaus Ther

Tücken der Erinnerung: Wem gehört Bonhoeffer?

Dietrich Bonhoeffer, evangelischer Pfarrer, Theologe und Widerstandskämpfer, wurde am 5. April 1943 verhaftet. Er hatte sich in einem Kreis von Verschwörern gegen das Hitler-Regime engagiert.

Zweimal, 1943 und 1944, musste er Ostern im Gefängnis Tegel feiern. Im Februar 1945 wurde er ins KZ Flossenbürg verlegt und dort am 9. April gehenkt. Der Name Bonhoeffer ist weit über Deutschland hinaus bekannt.

Die Erinnerung an sein Denken und seinen mutigen Widerstand jedoch drohe hinter berührenden Zitaten und Kalendersprüchen zu verblassen, mahnt der Journalist und Theologe Arnd Henze, Autor des Buches „Kann Kirche Demokratie? Wir Protestanten im Stresstest“.

Am Beispiel der Bonhoeffer-Rezeption in Teilen der US-amerikanischen „religiösen Rechten“ zeigt er auf, wie der Nazi-Märtyrer für eine politische Agenda missbraucht werden kann. Dort spannte ein Bonhoeffer-Biograph den großen Namen ausgerechnet vor den Karren der Wahlbewegung Donald Trumps.

Bericht: Christian Rathner

Verführer Adolf Hitler: Gefügige Massen, skrupellose Macht

Adolf Hitler war es gewohnt, vor riesigen Menschenmengen zu sprechen. Choreographien und Inszenierungen verstärkten den mitunter überwältigenden Eindruck. Wer dabei war, wurde Zeuge von etwas vermeintlich Weihevollem und Erhabenem.

Eine pseudo-religiöse Ergriffenheit machte sich breit – auch damals, nach dem sogenannten „Anschluss“ im März 1938, als Österreich aufhörte zu existieren. Individuen gingen in der Masse auf. Das ermöglichte dem nationalsozialistischen Regime, sie zu manipulieren und ihr kritisches Denken auszuschalten.

Es ermöglichte ihm aber auch, mit ungeahnter Rücksichtslosigkeit und Brutalität gegen alle vorzugehen, die als Feinde galten. „Macht ist etwas sehr Gefährliches“, sagt Elias Canetti, Autor des berühmten Buches über „Masse und Macht“.

Bericht: Christian Rathner

Redaktionsleitung und Moderation: Sandra Szabo