Amour fou

Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Der Zauber und die Misere ihrer zur Literatur gewordenen „Amour fou“ führt die beiden in einen Kosmos der Gefühle, der um ein Vielfaches komplizierter gewesen sein mag als derjenige sogenannter gewöhnlicher Menschen.

Gedanken für den Tag 24.6.2016 zum Nachhören:

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Aber von wem im Blick auf die Höhen und Tiefen seiner intimsten Erfahrungen dürften wir denn behaupten, er wäre ein gewöhnlicher Mensch!? Denn selbst das Alltäglichste entzieht sich dem Gewöhnlichen, wenn es als Alltägliches benannt, ausgesprochen, ins Wort gebracht wird.

Und dann erst die Abgründe des Herzens und das Wetterleuchten der Gefühle! Wie der Künstler, so ahnt auch der gewöhnliche Mensch, dass er das allermeiste, das da in seinem Innersten vor sich geht, nicht versteht. Und in diesen seinen Ahnungen ist er dem Schriftsteller weit näher als er es in seiner Sprache zu sagen vermag. Denn auch die Schriftsteller schreiben ja nicht, weil sie etwas von Liebe wissen, vielmehr, weil sie etwas von der Liebe wissen wollen, das sich ihnen nur durch das Schreiben zeigt.

Arnold Mettnitzer
ist katholischer Theologe und Psychotherapeut

Der sogenannte „gewöhnliche Mensch“ wie auch der Künstler und mit ihm die Kunst, sie alle müssen an Grenzen geraten. Gerade im Unvollendeten zeigt sich das Vollendete! Deshalb gelingt es dem Menschen ja paradoxerweise immer wieder, an den täglich erfahrbaren Grenzen seines banalen und doch kreativen Alltags, Ewiges zu erahnen und für einen Augenblick - wenn auch „nur ein Lächeln lang“ (Rilke) - „erfüllte Zeit“ zu erleben!

In ihrer Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden sagt Ingeborg Bachmann:

„In jedem Fall, auch im alltäglichsten von Liebe, steckt der Grenzfall, den wir, bei näherem Zusehen, erblicken können … Denn bei allem, was wir tun, denken und fühlen, möchten wir manchmal bis zum Äußersten gehen. Der Wunsch wird in uns wach, die Grenzen zu überschreiten …“

(Ingeborg Bachmann, Werke 4. Essays. Reden. Vermischte Schriften. Anhang, R. Piper Verlag, München1984, Seite 276)

Musik:

„Acoustic Painting 5“ von Edgar Unterkirchner