Lieben und arbeiten

Beten und arbeiten – das ist ein geläufiges Motto. Aber lieben und arbeiten?

Gedanken für den Tag 24.4.2017 zum Nachhören:

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Es mag erstaunen, dass Sigmund Freud als Urheber dieser Formel gilt. Einer seiner Schüler berichtet, dass Freud einmal gefragt wurde, was seiner Meinung nach ein gesunder Mensch gut können müsse. Und Freud soll einfach gesagt haben: „Lieben und arbeiten“.

Hubert Gaisbauer
ist Publizist

Bausteine für Menschenwürde

Der Schüler Sigmund Freuds, der diesen Ausspruch in einer Fachpublikation bezeugt hat, war kein geringerer als Erik Erikson, der Entdecker des sogenannten Urvertrauens des Babys, die Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung des Menschen. Erikson meinte, dass es sich mit „lieben und arbeiten“ nicht um ein billiges Bonmot Freuds handle, je mehr man darüber nachdenke, umso tiefer werde die Bedeutung.

Denn wenn Freud „lieben“ sagte, so Erikson, meinte er damit ebenso sehr die Fähigkeit zur Güte wie die geschlechtliche Liebe; und wenn er sagte „arbeiten“, dann meinte er damit eine berufliche Arbeit, die die Menschen nicht verschlingt und ihnen nicht die Kraft raubt, Liebende zu sein. Somit wäre nichts an dieser Formel zu verbessern, ja sie wäre geradezu – so Erikson wörtlich – eine ärztliche Verordnung für Menschenwürde – und für ein demokratisches Leben.

Lieben und arbeiten können: Bausteine für Menschenwürde und ein demokratisches Leben. Und wenn die beiden im Einvernehmen sind, geht es uns gut. In der jüngeren christlichen Theologie leitet sich die Würde des Menschen von seiner Ebenbildlichkeit mit dem schaffenden und liebenden Gott her. Der schaffende und liebende Mensch ist sein Partner, ihn trägt die gleiche Kraft.

Musik:

Mark Lubotsky, Violine: „Fuga“ aus: Sonate No. 3 in C major / C Dur BWV 1005 von Johann Sebastian Bach
Label: Brilliant Classics 93102/11