Die Freude

Landschaften stehen in Ingmar Bergmans Filmen nicht nur für das Weite und Äußere der Natur, sondern auch für die innere Verfasstheit der handelnden Personen. Gerne drehte er auf Inseln, auf den Schären oder auf Farö.

Gedanken für den Tag 4.8.2017 zum Nachhören:

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Die Sommer des Nordens sind kurz und intensiv. Irgendwann kommt die erste Windböe, die erste dunkle Wolke, das erste Frösteln. Die Liebe wird in Frage gestellt. Es wird Herbst. Bergman ist ein Meister darin, diese Umschläge zu schildern.

Ein Geiger namens Stig fühlt sich zum Solisten berufen, ist aber nur ein mittelmäßiger Orchestermusiker. Sein Hadern mit sich selbst belastet die Beziehung zu seiner Frau Marta schwer. Sie verlässt ihn mit den beiden Töchtern. Erst als Stig allein ist, besinnt er sich. Sie schreiben einander lange Briefe und finden wieder zueinander. Doch dann kommt Marta bei der Explosion eines Gaskochers ums Leben.

Christian Rathner
ist Filmexperte und Journalist

Beständige Kraft

Das Orchester probt Beethovens 9. Symphonie, als der Anruf kommt. Bei den ersten Takten des Freude-Themas fährt die Kamera über bedrohlich schwarze Bassgeigen. Freude schöner Götterfunken, als Untermalung von Schock und Trauer. „An die Freude“ heißt der Film. Ein zynischer Einfall? Die Musik ist mit Bedacht gewählt. Auch Beethoven ist ja ein Meister des Umschlags. Nicht, weil Abwechslung not tut, sondern weil eines im anderen enthalten ist: im Sommer der Herbst, im Dunkel das Licht, in der Blüte der Tod, in der Liebe das Scheitern.

Einmal sitzt der Schauspieler Erland Josephson bei Bergman im Theater. Die beiden Musikliebhaber reden über Johann Sebastian Bach, der von einer Reise zurückkehrte und erfahren musste, dass seine Frau und zwei seiner Töchter verstorben waren. Im Tagebuch, sagt Josephson, habe Bach notiert: „Gütiger Gott, möge ich nicht meine Freude verlieren.“

Freude nicht als großer Jubel, sondern als beständige Kraft, die durch Abgründe hilft. „In meinem ganzen Leben“, schreibt Bergman, „habe ich mit dem gelebt, was Bach seine Freude nannte. Sie rettete mich über Krisen und Elend hinweg und funktionierte genauso treu wie mein Herz.“

Musik:

The Swingle Singers: „Ode an die Freude“ aus dem Finale der Symphonie Nr. 9 d-moll op. 125 von Ludwig van Beethoven
Label: Sonoton SCD 069