Monat der Wohltaten

Auch in Wien schmücken wir die Wohnung und den Balkon im Ramadan mit Girlanden und Laternen. Doch das ist nichts, verglichen mit den Straßen Kairos, der Stadt, in der der Großteil meiner Familie lebt.

Gedanken für den Tag 5.6.2018 zum Nachhören:

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Alte Schulbücher werden teilweise verwendet, um Girlanden zu basteln. Es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn die ganze Stadt mitmacht, das verbindet auf eine erstaunliche Weise. Der Tagesablauf im Ramadan ist für alle, die fasten, sehr ähnlich. Es gibt zwei Mahlzeiten. Eine Stunde vor Morgendämmerung und zu Sonnenuntergang. In diesem Monat achte ich besonders auf meine Ernährung. Schließlich will ich meinen Körper mit dem versorgen, was mich den ganzen Tag mit Energie versorgt. Die Zeit, in der man essen kann, ist so begrenzt, dass man viel einfacher darauf achten kann, was man zu sich nimmt. Überhaupt habe ich das Gefühl, im Ramadan viel bewusster mit allem umzugehen und das tut mir besonders gut.

Nermin Ismail
ist Journalistin

Fasten von negativen Gewohnheiten

In Ägypten gehen Weckrufer durch die Straßen, um die Menschen zu wecken. Der Beruf des Mesaharati ist seit Jahrhunderten in Ägypten ebenso verbreitet wie in Marokko, Irak und Syrien. Der Weckrufer schlägt auf seine Trommel und ruft: „Esha ya nayem, wahed el dayem“. Was so viel bedeutet wie: „Steh auf, Schlafender. Erinnere dich an den Einen, den Ewigen.“ Oft leben diese Menschen von dem, was ihnen die Nachbarn als Dank spenden.

Im Ramadan soll man sich vor allem mit sich selbst befassen. Das Nichtessen und Nichttrinken ist zwar Teil des Fastens, ist aber natürlich nicht alles, worum es geht. Der Mensch fastet auch von seinen eigenen negativen Gewohnheiten. Es ist eine Zeit der Selbstreflexion und der Weiterentwicklung. Auch ich setze mir immer vor Ramadan gewisse Ziele. Nicht nur auf spiritueller Ebene, auch auf persönlicher, zwischenmenschlicher und beruflicher Ebene. Es ist ein Monat der Achtsamkeit. Heuer habe ich mir vorgenommen, von den ganzen Social-Medias fernzubleiben. Mal sehen, ob ich das schaffe.

Ramadan ist immer auch ein Monat der Wohltaten. Man kann nicht genug tun, die Armut auf den Straßen Kairos ist omnipräsent. Meine Cousine organisiert Spieleabende mit Kindern in einem Waisenheim und ich gehe mit. Andere Menschen verteilen Essen auf der Straße, für jene, die sich kein Essen leisten können. Es gibt überall Möglichkeiten, etwas Gutes zu tun. Ägyptenbesuche sind für mich auch immer eine Chance zu erkennen, wie viel ich habe und wie dankbar ich sein sollte.

Musik:

Omar Faruk Tekbilek: „Cafe in Cairo“ aus: MYSTERIES OF EGYPT / Original Filmmusik - IMAX FILM
Label: National Geographic (Eigenverlag)