Kaffeesudlesen im Schuldenregister

Es scheint wie das Amen im Gebet, dass nach Schulden immer die Frage auftaucht, wer an ihnen schuld sei, an den Schulden. So ist die Verteilung der Schuld oft interessanter zu beobachten, als das Zustandekommen der Schulden selbst.

Gedanken für den Tag 28.9.2018 zum Nachhören:

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Weil es so früh in der Früh ist und Kaffeezeit, will ich eine solche Geschichte der Schuldverteilung vom Kaffee erzählen. Sie handelt von den Hamburger Kaffeehändlern. Diese Kaufleute stiegen im späten 19. Jahrhundert in den Kaffee-Terminhandel ein. Sie spekulierten also mit ihrem eigenen Geld und dem Geld ihrer Kunden auf gute oder schlechte Kaffeeernten und also auf steigende oder fallende Preise. 1888 wurden die Spekulationen so stark, dass eine Blase entstand und platzte und sehr viele Menschen sehr viel Geld verloren. Es gab damals aber auch einen ehrenwerten Kaufmann, der immer vor den Spekulationen gewarnt hatte. Aber ausgerechnet dieser Christian Friedrich Titzck wurde von den Spekulanten nun öffentlich für den Crash verantwortlich gemacht, Seine Firma ging bankrott. Er beging Selbstmord. Der Terminhandel ging weiter. Bestraft wurde niemand.

Oliver Tanzer
ist Wirtschaftsjournalist bei der Wochenzeitung „Die Furche“

Sündenböcke und Sünden-Gärtner

Das erscheint uns heute unmoralisch. Aber es ähnelt unserer eigenen Taktik. Nach der Krise von 2008 gab es Verfahren und Rücktritte von Bankern. Aber im Hintergrund leben wir heute mit den gleichen Taktiken, die wir damals verurteilt haben. Statt Credit Default Obligations heißen unsere Spekulations-Vehikel heute Kreditkartenversicherungen oder Safe Bonds. Und wenn die nächste Krise kommt, werden wir wieder Schuldige küren: Und während wir uns auf diese Sündenböcke konzentrieren, übersehen wir die Sünden-Gärtner, jene die die Böcke gefüttert haben mit dem Verlangen nach immer mehr Wachstum und Erfolg. Wir übersehen da unter Umständen uns selbst.

Tatsächlich ist das schwer, die eigene Schuld zu suchen in den eigenen Wünschen und Zielen. Man würde damit praktisch den Gärtner zum Bock machen. Und wachsen lassen, was wir im Krisentaumel von 2008 hoch und heilig versprochen haben: „Reform!“ „Systemwende!“ Und auch: „Mäßigung!“

Musik:

RCA Victor Symphony Orchestra unter der Leitung von Kiril Kondrashin: Suite aus Maskerade Walzer aus dem Film „Krieg und Frieden“ von Aram Katschaturian
Label: Sony BMG 88697079092