Gedichte über eine geteilte Insel

Von einer „halben Stadt“ spricht der griechisch-zyprische Lyriker George Christodoulides in seinem Gedicht „Wie ausgestorben“ in Bezug auf Nikosia.

Gedanken für den Tag 19.3.2019 zum Nachhören (bis 18.3.2020):

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Komprimiert ist seine Sprache und symbolisch überhöht. Politische Konflikte, unter anderem die Teilung Zyperns, transformiert er dadurch in einen unsentimentalen und poetischen Erkenntnisprozess.

1968 in Moskau geboren wuchs George Christodoulides auf Zypern auf, studierte Publizistik und arbeitete als Journalist beim Fernsehsender Sigma in Nikosia. Seit mehr als zehn Jahren ist er Vorstandsmitglied des zypriotischen Journalistenverbandes.

„Noch nie hat einer gesagt: Wie ausgestorben, halb Nikosia im August“, schreibt er über die zyprische Hauptstadt, die seit dem Einsatz der UN-Friedenstruppe im Jahr 1974 geteilt ist.

Wie ausgestorben

Wie ausgestorben, Nikosia im August.
So heißt es,
verlassen die Bewohner im Sommer die Stadt.
Noch nie hat einer gesagt:
Wie ausgestorben, halb Nikosia im August.
Bloß keine Erbsenzählerei.
Bis zum Hals stehen sie uns, die Erbsenzähler
die romantischen Anhänger der Pedanterie.
Es sind nur wenige übrig in Nikosia im August -
die halbe Bevölkerung.
Noch nie hat einer gesagt
jetzt sei mehr Platz
in einer halben Stadt
jetzt stimme das Verhältnis
in einer halben Stadt.
Wie ausgestorben, Nikosia im August.
Schmal geworden und müßig,
beschaulich, verlassen.
Juli ist der Monat der gesättigten Erinnerung.
(Aus dem Griechischen von Michaela Prinzinger)

Buchhinweis:

„Zypern literarisch“, herausgegeben von der Botschaft der Republik Zypern in Berlin

Musik:

„Cyprus Melancholy“ von Lars-Luis Linek
Label: Selected Sound SEL 6071