Gelebtes Miteinander

Auf Facebook und in den anderen Foren werden derzeit eifrig zeitweilige Abmeldungen gepostet. Detox von social media. Viele Musliminnen und Muslime ziehen sich von dort während des Ramadan zurück – um mehr Zeit für sich selbst zu haben. Und um der realen Begegnung vor den virtuellen Kontakten den Vorzug zu geben.

Gedanken für den Tag 9.5.2019 zum Nachhören (bis 8.5.2020):

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Ramadan ist der Monat der Reinigung – auch in Bezug auf die sozialen Beziehungen. Wer sich belastet fühlt, weil im Verhältnis zu einem Familienmitglied, einem Arbeitskollegen oder Freund etwas nicht stimmt, so ist jetzt die beste Zeit, sich auszusprechen. Im Ramadan erinnert man sich gerne an die ganz praktischen Hinweise aus den Überlieferungen des Propheten dazu. Diese gelten natürlich das ganze Jahr über: Nicht länger als drei Tage eine Unstimmigkeit bestehen lassen, besser der aktive Teil sein, der auf den anderen zugeht. Und umgekehrt bei einem Versöhnungsangebot offenherzig sein. Und am besten: Nie schlafen gehen, wenn man noch einen Groll gegen irgendeinen Menschen in sich trägt.

Carla Amina Baghajati
ist Schulamtsleiterin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Monat der Solidarität

Ramadan ist der Monat sozialer Kontakte. Schön sind die gemeinsamen Fastenbrechen, Iftar genannt, ob mit der Familie und im Freundeskreis bei gegenseitigen Besuchen oder bei den großen Einladungen, die Moscheen und Vereine geben. Das Essen sollte dabei nicht im Mittelpunkt stehen – auch wenn es in jeder Herkunftskultur spezielle Ramadangerichte gibt, auf die sich jeder freut. Und von denen man gerne kostet und sie auch nachkocht, österreichische Spezialitäten, Wiener Schnitzel, Apfelstrudel, nicht ausgenommen.

Es geht um den sozialen Zusammenhalt und den Austausch. Eine ganz besondere Bedeutung gewann dies in der Zeit, als viele Flüchtlinge neu in Österreich waren und so Kontakte und Orientierung fanden. Da wurden täglich tausende Essen an sie durch die muslimischen Vereine ausgegeben.

Gäste aus muslimischen Ländern staunen immer wieder, wie stimmungsvoll der Ramadan in Österreich ist. „Da könnten wir uns ja etwas abschauen!“ – Dabei sind sie besonders beeindruckt, dass es Einladungen des „offiziellen Österreich“ gibt als schönes und wichtiges Zeichen. Und dass Muslime Menschen anderen Glaubens zum Fastenbrechen einladen. Da habe ich viele schöne Erinnerungen, zum Beispiel an ein Iftar, das als jüdisch-muslimische Begegnung gestaltet war. Schön und nachahmenswert ist es auch, wenn muslimische Familien Nachbarn oder Arbeitskollegen und -kolleginnen zu sich nach Hause einladen.

Ramadan als Monat der interreligiösen Verständigung und der Solidarität.

Buchhinweis:

Carla Amina Baghajati, „Muslimin sein - 25 Fragen, 25 Orientierungen“, Verlag Tyrolia

Musik:

Benjamin Schmid Jazz Quartet: „What is this thing called love“ aus dem Musical „Wake up and dream“ von Cole Porter
Label: Gramola 99069