Himmelfahrt und Weltbild

Am Donnerstag dieser Woche steht im Kalender Christ Himmelfahrt – für viele Menschen ein arbeitsfreier Tag. Man muss dafür nicht an Himmelfahrt glauben. Dieser Glaube fällt modernen Menschen auch schwerer als früheren Generationen.

Gedanken für den Tag 27.5.2019 zum Nachhören (bis 26.5.2020):

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Wer im antiken Weltbild lebte, hatte es da leichter. Die Welt war geordnet: Oben war der Himmel, unten die Unterwelt und dazwischen der Raum des Menschen. Himmelfahrt nach oben, Höllensturz nach unten entsprechen diesem Weltbild. Unwillkürlich und unbedacht sind auch moderne Menschen von diesen Vorstellungen geprägt. Wenn sie „o Gott!“ sagen, wenden sie den Blick nach oben.

Franz-Josef Weißenböck
ist katholischer Theologe und Autor

Religion und Wissenschaft

Im alten Rom gab es die Übung der consecratio: Die verstorbenen Herrscher wurden unter die Götter versetzt. Eine Abwandlung dieser Versetzung in den Himmel sind die in der römischen Kirche üblichen Heiligsprechungen. Sie sind allerdings nicht auf die Regenten und Päpste beschränkt, sondern auch für einfache Menschen erreichbar, auch für Frauen. Im alten Rom musste ein Zeuge aussagen, er habe den verstorbenen Kaiser im Rauch des Scheiterhaufens zum Himmel emporsteigen gesehen. Für die Heiligsprechungen heute braucht es ein Wunder.

Vor rund sechs Jahrzenten hat der Begriff Himmelfahrt eine neue, sehr konkrete Form der Verwirklichung gefunden: Am 12. April 1961 umrundete der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch unseren Planeten im Weltraum. Nicht Mythos und Religion haben Gagarins Raumfahrt ermöglicht, sondern die moderne Wissenschaft. Ihr verdanken wir auch die Einsicht, dass unsere Erde nicht der fixe Mittelpunkt des Universums ist. Der Mensch sei ein „Zigeuner am Rand des Universums“, sagte einst, politisch inkorrekt, der Nobelpreisträger Jaques Monod. Wenn es einen Rand gibt, muss es auch ein Zentrum geben – aber selbst das scheint heute alles andere als sicher.

Musik:

Zbigniew Paleta/Violine und The String Sextett: „Morning at the hotel“ aus: DREI FARBEN: WEISS / Original Filmmusik von Zbigniew Preisner
Label: Virgin 394722