Komponist und Musikphilosoph

Zum 50. Todestag von Theodor Adorno: Theodor Adorno, der Sohn einer Opernsängerin, war nicht zuletzt auch ein Komponist. 1925/26 begab er sich nach Wien, um dort die Zwölfton-Musik in theoretischer wie in praktisch-kompositorischer Absicht kennenzulernen.

Gedanken für den Tag 10.8.2019 zum Nachhören (bis 9.8.2020):

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Die im Exil geschriebene Studie Philosophie der neuen Musik ist auch ein Nachhall all dieser ästhetischen Erfahrungen, eine Reverenz an Schönberg und an Adornos Lehrer Alban Berg. Ebenso wie die musikphilosophischen Passagen im Doktor Faustus, die der Philosoph für Thomas Mann geschrieben hat. Dieser hat ihn wiederum als ironisch-‚teuflischen‘ Lehrmeister im Dialog mit dem Komponisten des Romans, Adrian Leverkühn, satirisch gezeichnet.

Durchdrungen von Musik

Für Adorno steht völlig außer Zweifel, dass nur die von Schönberg begründete Kompositorik eine zeitgemäße neue Kunst verkörpert, während Strawinsky und übrigens auch Bartok als Vertreter der Restauration gelten, die den entscheidenden Bruch hin zur Moderne nicht wirklich vollzogen haben und sich wie Bartok folkloristischen Materials bedienen. Präferiert wird das konzentrierte Hören, das in flagrantem Widerspruch zum abgestumpften Konsum der allgegenwärtigen Schlager steht. Insofern ist Adorno ein Vertreter von Reduktion und Abstraktion. Er befürwortet Konzentration und Askese.

Wolfgang Müller-Funk
ist Literaturwissenschaftler und Kulturphilosoph

Unter den Bedingungen der Moderne ist die Aufspaltung der Kunst in Kitsch und Avantgarde kulturelle Realität geworden. Das, was die Kritiker als Schönbergs Intellektualismus anprangern, ist für Adorno Ausweis der Wahrheit und Wahrhaftigkeit der 12-Ton-Musik, die sich vom exklusiven tonalen System wie vom Kitsch der Spätromantik verabschiedet hat. Ähnlich wie in seinen Essays über Literatur spielen dabei mehrere Aspekte eine Rolle, die radikale Autonomie und Kompromisslosigkeit der 12 Ton-Musik, ihr reflexiver Charakter, in der die Musik tendenziell zu ihrer eigenen Philosophie avanciert, und die Widerständigkeit, sich Profit und Publikumsgeschmack zu unterwerfen.

Adorno schreibt: Man darf die Zwölftontechnik nicht als eine „Kompositionstechnik“ … missverstehen. Eher ist sie einer Anordnung der Farben auf der Palette zu vergleichen als dem Malen des Bildes. Das Komponieren beginnt in Wahrheit erst, wenn die Zwölftondisposition fertig ist.

Wenn die zweite Wiener Klassik heute im Konzerthaus angekommen ist, dann hat dies gewiss auch mit Adornos Philosophie zu tun, die nicht nur über Musik spricht, sondern von ihr durchdrungen ist.

Musik:

English Chamber Orchestra unter der Leitung von Jeffrey Tate: „Con fuoco, molto adagio - 2. Satz“ aus: Kammersymphonie Nr. 2 op. 38 von Arnold Schönberg
Label: EMI 7490572