Alles liegt in Trümmern

Wenn eine Katastrophe passiert, liegt alles in Trümmern: Häuser, Straßen, das ganze Leben. Oft auch die Seele.

Gedanken für den Tag 23.8.2019 zum Nachhören (bis 22.8.2020):

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Jedes Mal, wenn Regentropfen auf das Wellblechdach trommeln, steigt Panik in Rosalia auf. Im November 2013 ist der Supertaifun Haiyan über ihr Haus im Fischerdorf Tinagan auf der philippinischen Insel Leyte hinweggefegt. „In meinem ganzen Leben habe ich keinen solchen Sturm erlebt, und ich bin jetzt 77“, erzählt sie mir. „Ich habe geglaubt, wir überleben das nicht. Die Flutwellen waren fünf Meter hoch“, sagt ihr Nachbar Lorenzo. „Das Meer hat unsere Boote verschlungen, unsere Einkommensquelle. Was sollen wir tun ohne Boote? Menschen mit Geld haben andere Möglichkeiten, wir nicht.“

Maria Katharina Moser
ist Direktorin der evangelischen Hilfsorganisation Diakonie

Singen und schreien

Leyte gehört zu den ärmsten Regionen der Philippinen. Das Leyte Center for Development, eine Partnerorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe, unterstützt die Menschen hier. Katastrophenhilfe ist für die Leiterin der Hilfsorganisation, Minet Jerusalem, Alltag. Sieben bis acht Katastrophen – Taifune, Überschwemmungen, Erdrutsche – zählt sie pro Jahr. Aber Haiyan hat Minet an ihre Grenze gebracht. Als der Taifun auf ihre Insel traf, war sie in Manila. Vier Tage später kam sie zurück, fuhr durch die vertrauten Straßen – und erkannte das Land nicht wieder. „Die Landschaft war völlig verändert“, erzählt Minet. „Alles war mit einer braunen Schicht überzogen. Wir sind an unserem Büro vorbeigefahren, ich hab es nicht wieder erkannt. Und all die Leichen am Straßenrand. Seit 33 Jahren bin ich in der Katastrophenhilfe – und ich hatte zum ersten Mal das Gefühl: Am liebsten würde ich es machen wie andere, die die Möglichkeit dazu haben: Meine Sachen packen und weggehen.“

Minet hat ihre Koffer nicht gepackt und weiter geholfen. Die Fischer haben neue Boote bekommen und ihre Arbeit wiederaufgenommen. Die Seele braucht länger zum Heilen. „Manchmal lächeln wir einfach, das hilft uns, das Trauma zu bewältigen“, sagt Lorenzo. „Manchmal singen wir. Manchmal müssen wir aber auch schreien.“ Im Singen liegt Würde, genauso wie im Schreien.

Musik:

Ancient Future: „Ja Nam“ von Matthew Monfort
Label: Putumayo World Music PUT 244-2