Der Brünner Heimatbote

Meine Mutter ist 1919 in Brünn geboren und hat dort bis zu ihrer Deportation im Jahr 1941 gelebt.

Gedanken für den Tag 25.9.2019 zum Nachhören (bis 24.9.2020):

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Sie hat uns immer wieder über diese kulturelle und sprachliche Vielfalt berichtet, über ihre Freundschaften, die sie in diversen Schulen u.a. auch im Masaryk Gymnasium geknüpft hat, und über die wachsende Spaltung der Gesellschaft ab dem Jahr 1933, als die Nazis in Deutschland an die Macht gekommen sind.

Susanne Eiselt
ist PR-Beraterin und freie Autorin

Erinnerungen an Brünn

„Zuvor waren wir nur ‚Brünner‘, ob Deutsch oder Tschechisch sprechend, ob jüdisch oder katholisch“, pflegte sie zu sagen. Viele Jahre später hatte sie von ehemaligen Schulkollegen eine Zeitschrift erhalten den „Brünner Heimatboten“. Sie hat sich durch die Lektüre wieder in ihre Jugend versetzt gefühlt.

Eines Tages hat sie im Brünner Heimatboten einen Beitrag einer Frau aus Stuttgart gelesen. Diese hat sich erinnert, dass sie als 14-Jährige in Brünn gesehen hatte, wie man Juden misshandelte und sich dafür geschämt hat. Meine Mutter hat sofort reagiert, und eine innige Brieffreundschaft ist zwischen den beiden Frauen aus Brünn entstanden. Irene, die 1925 in Brünn geboren ist, und 1945 Brünn als Deutsche verlassen musste, ist durch die gemeinsamen Erinnerungen zu einer wichtigen Gesprächspartnerin meiner Mutter geworden.

Sie haben einander regelmäßig über das Leben im Vorkriegs- Brünn Briefe geschrieben. Irene wollte unbedingt meine Mutter persönlich kennenlernen. Dazu ist es leider nicht mehr gekommen. Meine Mutter ist plötzlich gestorben. Irene ist mit ihrem Mann dennoch nach Wien gekommen und gemeinsam sind wir nach Brünn gefahren. Ich habe durch diese Reise ein neues Gefühl für Brünn bekommen, und ich bin Irene, die im Vorjahr im Alter von 93 Jahren gestorben ist, so dankbar, dass sie mit der Korrespondenz das schöne Brünn der Zwischenkriegszeitjahre für meine Mutter lange lebendig gehalten hat.

Musik:

Zbigniew Paleta/Violine und The String Sextett: „Morning at the hotel“ aus: DREI FARBEN: WEISS / Original Filmmusik von Zbigniew Preisner
Label: Virgin 394722