Satire zur Rettung

„Eigentlich verdient’s die Menschheit, dass sie den Bach runter geht, aber Resignation ist ja keine Handlungsgrundlage", zitiert Cornelius Hell den Schriftsteller Carl Amery.

Gedanken für den Tag, 21.5.2015:

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„Bayern war (und ist teilweise noch heute) das Land der Einzelgänger und Einzeldenker.“ Dieser Satz findet sich in Carl Amerys Essaysammlung „Bileams Esel“. Ein solcher Einzelgänger und Einzeldenker war auch Carl Amery zeit seines Lebens. Und ein überzeugter Bayer bis in seine Sprache hinein. Mit seiner amerikanischen Frau Maryjane sprach er, wie er mir einmal erzählte, Englisch, bis sie sein Bayerisch verstehen konnte, denn Hochdeutsch war für ihn keine Sprache des Herzens. Gleichzeitig verwahrte sich Amery aber auch gegen die „scheinbar unwiderrufliche Fremdbestimmung des Bayern als ländlichderbes Urvieh, als Lieferant vorzivilisierter Stimmungslage“.

Literaturkritiker und Übersetzer Cornelius Hell

ORF/Hummel

Cornelius Hell ist Literaturkritiker und Übersetzer

„Die Wallfahrer“

In Bayern sind auch Amerys Romane verortet. „Die Wallfahrer“ spielt im Wallfahrtsort Tuntenhausen. Bayerische Spiritualität und moderne Zivilisationskritik, barocke Fabulierlust und apokalyptische Untergangsvisionen gehen in den vier Handlungssträngen dieses Romans eine produktive und singuläre Verbindung ein.

Der Roman arbeitet mit echten und fingierten Dokumenten und rehabilitiert die Volksfrömmigkeit gegen eine in den Dienst der Herrschenden gestellte Kirche. Der Satiriker Jonathan Swift ist eines der literarischen Vorbilder Carl Amerys, aber auch der katholische Krimiautor Chesterton.

Zorn und Gelächter

Carl Amery, der auch Science Fiction-Romane schrieb, liebte auch die historische Fiktion. In seinem Roman „An den Feuern der Leyermark“ unternimmt er einen persönlichen Gang durch die bayerische Geschichte und entwirft ein Bayern ohne Preußens Vorherrschaft, eine „Freie Eidgenossenschaft“ im Herzen Europas.

„Seine literarischen Waffen sind Zorn und Gelächter“, schrieb Carl Amery über den bayerischen Schriftsteller. Von beidem hatte er selbst sehr viel. Ich habe noch seine markante Stimme im Ohr, aus der man beides heraushören konnte:

„Eigentlich verdient’s die Menschheit, dass sie den Bach runter geht, aber Resignation ist ja keine Handlungsgrundlage. Und was mich rettet ist, möchte ich sagen, meine satirische Ader. Die erlaubt mir also gelegentlich noch kreativ tätig zu sein.“ Doch auch in seinen Texten stößt man immer wieder auf den Zorn auf den Totalen Markt und die Zerstörung der Lebensgrundlagen, aber auch auf Satire und Gelächter, vor allem in seinen Romanen. Das macht es zu einem unvergesslichen Erlebnis, Carl Amery zu lesen.

Musik:

Francis Poulenc (1899 - 1963)
Andante - 2.Satz
Aus: Trio für Klavier, Oboe und Fagott

Interpreten South African Chamber Music society 1997, Albie van Schalkwyk/Klavier, Kobus Malan/Oboe, Fanie Jooste/Fagott
Label: Koch Discover International DICD 920463

In den Gedanken für den Tag erwähnte Werke von Carl Amery:

Essays:
Arbeit an der Zukunft. Sammlung Luchterhand 2007
Global Exit. Die Kirchen und der Totale Markt. btb-Taschenbuch 2004
Hitler als Vorläufer. Sammlung Luchterhand 2002
Bileams Esel. Konservative Aufsätze (Im Buchhandel nicht mehr erhältlich)

Romane:
Die Wallfahrer. Roman. Sammlung Luchterhand 2002
Das Geheimnis der Krypta. Sammlung Luchterhand 2003
Die Große Deutsche Tour (Im Buchhandel nicht mehr erhältlich)
An den Feuern der Leyermark (Im Buchhandel nicht mehr erhältlich)