„Die Kraft und die Herrlichkeit“

Graham Greene, der am 3. April vor 25 Jahren verstorben ist, war schon ein arrivierter Autor, als ich zu lesen begonnen habe. Er gehörte zu den prononciert katholischen Autoren der 1950er und 1960er Jahre und wurde als solcher im katholischen Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, hoch geschätzt.

Gedanken für den Tag 30.3.2016 zum Nachhören:

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Schon darum hatte ich mit ihm nicht viel am Hut. Nur den Film „Der dritte Mann“ hatte ich natürlich gesehen – wenn man in Wien lebt, kommt man um ihn sowieso nicht herum. Zum Todestag ist der Roman in einer Neuübersetzung erschienen, und es lohnt sich durchaus, ihn zu lesen – und im Vorwort von Graham Green Details über die Verfilmung zu erfahren.

Literaturkritiker und Übersetzer Cornelius Hell

ORF/Hummel

Cornelius Hell ist Literaturkritiker und Übersetzer

Jetzt, zum Todestag, wollte ich aber endlich den Roman lesen, der Graham Greene weltberühmt gemacht hat: „Die Kraft und die Herrlichkeit“. Er spielt im Mexiko der 1930er Jahre, als die paramilitärische Organisation der Rothemden alle Priester erbarmungslos verfolgte und die Kirchen geschlossen wurden. Hautfigur des Romans ist der letzte Priester, der im ganzen Land gejagt wird. Man nennt ihn den Schnapspriester, und in seinem Suff hat er sogar ein Kind gezeugt. In der berührenden letzten Begegnung mit diesem Mädchen erkannte er: „Dieses Kind war wichtiger als ein ganzer Kontinent.“ Schade nur, dass der Priester diese Erkenntnis nur gegen die neue Politik richtet, nicht aber gegen das eigene Glaubensgebäude.

Der Roman freilich ist sehr hellsichtig. Ich bewundere den Katholiken Graham Greene, wie er die unbarmherzige und dürre Ideologie der Revolutionäre vorführt, zugleich aber die Kirche und das klerikale Verhalten demaskiert. Ich liebe den genauen Bick dieses Romans auf Physiognomien, wenn er etwa an die „schwarzgekleideten Priester mit den römischen Kragen und den weichen, überlegenen, gönnerhaften Händen“ erinnert. Der Schnapspriester ist desillusioniert, auch was ihn selbst betrifft, er durchschaut auch den eigenen Hochmut, der sich hinter dem Wunsch verbirgt, ein Märtyrer zu werden.

Manchmal finde ich in diesem Roman, der bereits 1940 erschienen ist, Sätze, die auch heute noch aufhorchen lassen – etwa die Frage: „Gott mochte Feigheit und Leidenschaft vergeben, aber war es möglich, die Frömmigkeit aus Gewohnheit zu vergeben?“

Buchtipps:

  • Graham Greene, „Der dritte Mann“, Paul Zsolnay Verlag
  • Graham Greene, „Die Kraft und die Herrlichkeit“, dtv
  • Graham Greene, „Unser Mann in Havanna“, dtv
  • Graham Greene, „Das Ende einer Affäre“, dtv
  • Graham Greene, „Die Reisen mit meiner Tante“, dtv
  • Graham Greene, „Der stille Amerikaner“, dtv
  • Graham Greene, „Das Herz aller Dinge“, dtv

Musik:

„The quiet American“ aus: THE QUIET AMERICAN / Original Filmmusik von Craig Armstrong
Label: arese Sarabande VSD 6426