Wenn Schmerzen und Leid zu Freude werden

Purim erinnert an den Monat, „in dem sich Schmerzen in Freude und Leid in Festtage verwandelt hatten“. So am Ende des Buchs Ester. Der Beginn erzählt, wie die Titelheldin Ester persische Königin wurde. Wie sie ihre Freiheit, ihre Würde und ihre Herkunft aufgeben musste, um die Krone zu erlangen.

Gedanken für den Tag 12.3.2019 zum Nachhören (bis 11.3.2020):

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Zuvor verweigerte ihre Vorgängerin einen königlichen Befehl und wurde verstoßen. Ihr gottköniglicher Gemahl herrschte vom Indus bis zum Nil. Trotzdem lautete die über Gedeih und Verderb des Großreiches entscheidende Frage: War der König Herr im eigenen Haus? Gehorsam war der Grundstein, auf dem die Ordnung des Reiches ruhte. Ungehorsam barg eine Kettenreaktion: Erst widersetzen sich die Frauen ihrer Familie, dann die Fürsten dem König, zuletzt das Volk der Herrschaft. Die Welt versinkt im Chaos.

David Weiss
ist Schriftsteller

Esters Krönung ist der Anfang

Rangordnung speist sich aus dem Wechselspiel von Erniedrigung und Unterwerfung. Und je sittenstrenger ein System nach außen, desto ausgeprägter seine sexuelle Natur. Der Glaube an den unausweichlichen Fortschritt der Zivilisation in eine ideale Zukunft verleitet zu denken, das alles sei schon längst überwunden. Diese Gewissheit ist so fest, dass Gefahren übersehen werden können. Aktuelle Nachrichten über US-Höchstrichter, übergriffige Universitätsprofessorinnen, fragwürdige Schuld- und Freisprüche, rape culture, #metoo, und unbedachte Redewendungen bezeugen das.

In Saudi-Arabien wurde Roboter Sophia die Staatsbürgerschaft verliehen, damit besitzt die künstliche Intelligenz mehr Bürgerrechte als Frauen. Ester wird erniedrigt und zur Königin gekrönt. Mission erfüllt, Buch vorbei. „Und sie lebte glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“, denken jetzt vielleicht einige. Aber Esters Krönung ist eben nicht das Ende, sondern erst der Anfang. Ihr Widerstand wird sie unsterblich machen.

Musik:

Bistrik Orchestra: „Purim, Purim“ (Bosnien. Instrumentale Version eines jüdischen Liedes, dessen Melodie aus der Erinnerung von Flori Jagoda aufgeschrieben wurde), bearbeitet von Branko Isakovic
Label: Intuition/Edel INT 34062