Die Wehrhaftigkeit der Mariendistel

Romana Seunig war ursprünglich Juristin und hat sich mitten in ihrem Leben entschieden, noch einmal zu studieren: Gesundheitswissenschaften. Ihr Wissen um die Pflanzen, deren Wirk- und Heilkraft kultiviert sie sorgsam in ihrem großen Kräuterland in der Nähe von Klagenfurt.

Morgengedanken 23.7.2015 zum Nachhören:

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An der Mariendistel kommt niemand vorbei: mit größter Heilkraft und mächtiger Gestalt ausgestattet, bleibt einem die Begegnung mit ihr noch lange im Gedächtnis. Sie liebt es, durch meinen Garten zu mäandern, wie es ihr passt. Wo immer ein neues Beet entsteht, eine Fläche freigemacht wird für eine neue Bepflanzung – sie bringt es augenblicklich in Erfahrung, stellt sich vor Ort ein und besetzt den besten Platz.

Romana Seunig
ist Juristin und Gesundheitswissenschaftlerin in Ebenthal in Kärnten

Das richtige Maß

Wenn man ihr dabei in die Quere kommt und sie auszureißen versucht, revanchieren sich bereits ganz kleine Mariendistelpflänzchen mit schmerzhaften Stichen ihrer stachelbesetzten grünweiß gesprenkelten Blätter. Sie lehrt uns Abstand zu halten und ihre Individualität zu respektieren. Kein unbedachtes Anfassen oder „lass mal riechen“, kein neugieriges Zupfen an den Blättern ist hier vorstellbar. Auf Augenhöhe bringt sie uns dazu, eine Betrachtungsperspektive einzunehmen, welche sie noch mächtiger erscheinen lässt. Wenn man von oben auf die umdornten Samenstände blickt, ähnelt die regelmäßige Dornenanordnung dem Kranz eines Heiligenscheins.

In menschlichen Beziehungen geht es ebenfalls um das richtige Maß zwischen Abgrenzung und Öffnung. Geht es immer wieder neu um das Finden des Gleichgewichts zwischen der individuellen Eigenheit und der Anpassung an das Wir. Die Mariendistel fordert uns auf, die eigene Persönlichkeit zu wahren und achtsam mit sich selbst umzugehen.

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