Ort des Gedenkens – in Cornwall

Nach 25 Jahren kann das Reiseziel von einst eine völlig neue Bedeutung gewonnen haben. Harald Kluge erzählt heute, wie sich der legendäre Geburtsort von Artus in seiner Erinnerung gewandelt hat.

Morgengedanken 27.7.2015 zum Nachhören:

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Wir dachten, es flöge uns das Dach fort, die Möwen würden durchs Zimmer fliegen - und dabei war es nur das Rauschen des Meeres unterhalb der Steilklippe. Es hatte mich und meinen Reisegefährten vor 25 Jahren nach Tintagel an Cornwalls westlicher Küste verschlagen. Mit schweren Rucksäcken waren wir vom Busfahrer mitten in grünen Landschaften ausgesetzt worden. Ein freundlicher Wirt im Pub hatte uns den Schlüssel für die Jugendherberge gegeben und den Weg zur Steilküste erklärt. Dort befand sich ein einfaches Holzhäuschen.

Harald Kluge
ist evangelisch-reformierter Pfarrer in Wien

Frieden für die Seele

Nirgendwo sonst lässt sich das Leben so frei atmen und die Natur so unbeleckt empfinden. Wir waren Rollenspieler, und Tintagel Castle, angeblich Ort der Zeugung des späteren legendären König Artus, hatte uns hierher verschleppt. Das Castle war enttäuschend, aber die Jugendherberge, direkt an den abfallenden Steilwänden, eine Wucht. Ein Geplänkel abends im Pub zwischen den harten Burschen des 700-Seelen-Ortes, eine Touristin, die im Poolbillardspiel alle vom Tisch fegte - deutsche Staatsmeisterin - ein für mich wie überall ungenießbares Guinness und der lange Weg zur Herberge haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt.

Vor kurzem musste ich wieder an diesen Ort denken, denn in der normannischen Pfarrkirche St. Materiana liegt ein Buch auf, das mir damals zwar seltsam erschien, in dem ich heute aber einen Namen eintragen würde. In der Kirche liegt ein „Miscarriage & Infant Loss Memorial Book“ auf, in dem die Namen von Säuglingen bewahrt werden, die durch Fehlgeburt, Totgeburt oder durch andere Ursachen starben, und zu dem jährlich tausende Menschen pilgern, um ein wenig Frieden für ihre Seele zu finden.