Unter Wölfen

„Wolfskinder“ werden Kinder genannt, die ohne Eltern irgendwo in der Wildnis aufwachsen müssen. Viele von ihnen leben mitten unter uns, in scheinbar intakten Familien. Und das geht nur, weil - vielleicht nicht alle -, aber doch viele, einfach wegschauen.

Morgengedanken 19.1.2017 zum Nachhören:

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„Für die beiden Kinder, die zu sein, meine Schwester und ich überlebt haben.“ Diese auf den ersten Blick vielleicht etwas unverständliche Widmung stellt der Songwriter John Darnielle seinem Lied „Up the Wolves“ - „Unter Wölfen“ voran.

Christian Herret
ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit der Dreikönigsaktion, des Hilfswerks der Katholischen Jungschar

Heldengeschichten

Der Sänger erzählt die Geschichte seiner Kindheit. Eine Geschichte, wie sie leider millionenfach Alltag ist. Er erzählt vom Aufwachsen inmitten von Demütigung, Gewalt und Missbrauch. Singt sich seine Ohnmacht und seine Wut vom Herzen. Seine Wut auf die Mutter, die nichts unternimmt, sondern das Leid stumm erträgt. Die ihn und seine Schwester verlassen wie Romulus und Remus „unter Wölfen“ aufwachsen lässt. Wut auf Nachbarn, Bekannte, Verwandte, Lehrer, Ärzte, die alle wegschauen. Weil man mit sowas nichts zu tun haben will, weil man sich ganz einfach nicht vorstellen kann, dass so etwas wirklich geschieht. Dass der freundliche Mann von nebenan, der immer so nett grüßt, der vielleicht jeden Sonntag in die Kirche geht, seine Kinder quält, schlägt, misshandelt. Darielle singt sein Lied, damit alle erfahren, was sich hinter der Fassade der lieben Familie abgespielt hat.

Letztendlich ist der Song eine Heldengeschichte. Sie erzählt von Veteranen, die einen ihre ganze Kindheit andauernden Krieg überlebt haben. Verwundet an Körper und Seele, traumatisiert von dem Erlebten, aber glücklich zumindest, mit dem Leben davongekommen zu sein. Den unzähligen Kindern, die meist unsichtbar mitten unter uns in verborgenen Kriegen aufwachsen, auf Schlachtfeldern hinter Vorhängen und Türen, hat er mit seinem Lied ein strahlendes Denkmal gesetzt.