Die Gabe der Erkenntnis

Erkenne dich selbst – das war schon in der Antike eine Forderung an die Besucher des Orakels von Delphi. Doch auch in der christlichen Lehre ist die Erkenntnis ganz zentral – sie ist eine der sieben Gaben des Heiligen Geistes.

Morgengedanken 26.11.2015 zum Nachhören:

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Heute denke ich über die Gabe der Erkenntnis nach. In der Bibel steht, Adam und Eva war es ausdrücklich verboten, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse essen. Komisch! Dort die Erkenntnis als Gabe des Heiligen Geistes und hier das Verbot der Erkenntnis. Eine Gabe voll Widerspruch? Und erst recht, wenn ich im Buch Genesis weiterlese, dass Adam und Eva einander erkannten; in der Sprache der Bibel heißt das, sie liebten einander, schliefen miteinander. Tod und Verderben auf der einen Seite, Leben und Liebe auf der anderen.

Angelika Pressler
ist Psychotherapeutin und Personalentwicklerin bei der Caritas Salzburg

Von alters her wurde die Erkenntnis auch als Gabe der Wissenschaft gesehen. Sie war aufgerufen, die Welt als Geheimnis Gottes immer tiefer zu erforschen. Sie hatte das Gesamt vor Augen, die Ganzheit des Menschen, der Welt im Angesicht Gottes. Mittlerweile ist die Ganzheit der Erkenntnis in der Wissenschaft zerbrochen. Wir erkennen nur mehr Teile, diese aber immer differenzierter, aber auch widersprüchlicher. Vielleicht müssen wir heute mehr denn je die Erkenntnis mit Begegnung verknüpfen, denn in der Begegnung lassen sich Widersprüche überwinden und immer wieder neu ausbalancieren, in der Begegnung geschieht Verstehen.

Auch der sogenannte „ungläubige Thomas“ wollte Jesus begegnen – um ihn zu erkennen!