Zu einem späteren Zeitpunkt

In unserem Alltag schieben wir vieles auf, weil es sich scheinbar später erledigen lässt. Doch was ist, wenn es diesen „späteren Zeitpunkt“ nicht mehr gibt?

Morgengedanken 16.10.2018 zum Nachhören:

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Vor einiger Zeit wurde ich auf meinem Mobiltelefon von meinem ehemaligen Vorgesetzten angerufen. Leider war es mir aufgrund des Alltagsstresses nicht möglich, den Anruf entgegenzunehmen. Er hinterließ auch keine Nachricht per SMS und sprach mir auch nicht auf die Mobilbox. Mein Gewissen plagte mich sehr. Ich wusste schon seit längerer Zeit, dass er sehr krank war und hatte versprochen, mich wieder mal zu melden, bzw. auf einen Kaffee und Plauscherl vorbeizukommen.

Jörg Fuhrmann
ist Palliativpfleger und Seniorenheimleiter in Salzburg

Das Wunder Begegnung

Ich hatte es aber einfach nicht geschafft. Ich versuchte einige Male zurückzurufen und erreichte ihn dann leider auch nicht. Nach zwei Tagen versuchte ich es dann nochmal erneut. Am anderen Ende begrüßte mich dann aber nicht die Stimme meines ehemaligen Vorgesetzten, sondern die Stimme seiner Vertretung. Diese teilte mir mit, dass er verstorben sei und in einer Woche die Verabschiedung. Mir fehlten die Worte. Ich war zu spät dran und die Ausrede, es einfach nicht geschafft zu haben, gab es nicht mehr. Ich hatte auf einmal so viel Zeit um mich an gemeinsame Tage und Begegnungen mit ihm zu erinnern.

Bei der Verabschiedung mit Freunden und Verwandten hatte man ein Bild von ihm und seinem Rucksack aufgestellt. Abschied nehmen von einem Rucksack, dachte ich mir. Ich, der immer in seinen Vorträgen und Seminaren von der frühzeitigen Auseinandersetzung mit der Endlichkeit redet, war auf einmal viel zu spät unterwegs. Das einzige, was bleibt, ist Dankbarkeit und die Erfahrung, dass Begegnung ein Wunder ist und niemals verschoben werden sollte. Ich wünsche Ihnen heute ganz viel Zeit.