Unterscheidung der Geister

Die Menschheit weiß heute so viel wie nie zuvor und kann über das Internet als riesige Wissensquelle verfügen. Und gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Herzensbildung verkümmert.

Morgengedanken 29.6.2019 zum Nachhören (bis 28.6.2020):

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Unsere Welt ist vielfältig geworden, aber auch unübersichtlich. Orientierung fällt oft schwer. So viel Wissen wie heute wurde noch nie gehortet. Und welche immensen Wissensschätze im Internet gesammelt sind, daneben schaut der Schatz der Nibelungen recht dürftig aus!

Angelika Pressler
ist Theologin und Psychotherapeutin in Salzburg

Achtsam durch die Zeit segeln

Herzensbildung meint aber eine andere Art von Wissen, es ist ein tieferes Wissen. Herzensbildung meint, die Fähigkeit zu erwerben, differenzierter zu denken, die Fähigkeit, andere Standpunkte einzunehmen. Es braucht die Einübung in die Unterscheidung der Geister, um zu wissen, wes Geistes Kind bin ich denn selber. Gerade weil unsere Welt so komplex und unübersichtlich geworden ist, haben wir den Wunsch nach einfachen Antworten auf schwierige Fragen. Da ist schon die Gefahr sehr nahe, einfach zu trennen, zu spalten in: Wir sind gut, die anderen schlecht, wir sind g’scheit, die anderen dumm; ich gehöre dazu, du nicht.

In der Herzensbildung geht es aber um andere Gewissheiten. Denn gebildete Herzen ahnen: Wirkliches Wissen beginnt mit der Erkenntnis um die Unzulänglichkeit der Wahrnehmungen, mit der Zerstörung von Täuschungen, mit Enttäuschungen. Vernunft und Herzensbildung sind dabei zarte Pflänzchen, die liebevoller Pflege bedürfen. Wir sind wie ein Schiff. Das Steuer führt, wenn wir Glück haben, die Vernunft, aber die Segel setzt die Herzensbildung. In diesem Sinn segeln Sie achtsam durch alle Wetterlagen der Zeit.