Schuldenschnitt

Niemand nimmt gern die Schuld auf sich – oder meldet sich sogar freiwillig dafür. Da muss schon eher ein „Sündenbock“ oder das „Märzenkäubl“ herhalten.

Morgengedanken 1.3.2016 zum Nachhören:

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Heute erinnere ich mich an einen Ausspruch meiner Mutter: „Vergiss nicht, einen Schal zu nehmen und eine Haube aufzusetzen, damit dich das „Märzenkäubl“ nicht beißt.“ Die Märzsonne, die schon recht kräftig sein kann, verleitet dazu, sich zu luftig anzuziehen und da fängst du dir nur allzu leicht eine Erkältung ein. Wenns dich erwischt hat, bist es aber nicht du gewesen, nicht deine Gedankenlosigkeit oder dein Leichtsinn, sondern das Märzenkalb hat dich gebissen.

Christian Öhler
ist katholischer Pfarrer aus Bad Ischl und Geistlicher Assistent der Katholischen Aktion Oberösterreich

„Liebe, nicht Schlachtopfer...“

Ist das nicht irgendwie typisch Mensch? Immer ist jemand anderer Schuld an meiner Misere. Tiere eignen sich besonders gut dazu, uns die Schuld abzunehmen. Lämmer werden geopfert, um eine beleidigte Gottheit zu besänftigen. Einem Ziegenbock werden sämtliche Verfehlungen auf den Kopf geladen. Anschließend wird er unter lautem Geschrei und Gejohle in die Wüste getrieben. Als „Sündenbock“ soll er die Sünden der Menschen weit forttragen. Das Ritual wird schon lange nicht mehr praktiziert, der „Sündenbock“ aber ist sprichwörtlich geworden.

„Liebe will ich, nicht Schlachtopfer“, steht in der Bibel. „Gotteserkenntnis statt Brandopfer“ (Hosea 6, 6). Wenn ich Gott als einen erkenne, der mich bedingungslos liebt, muss ich Schuld nicht länger auf andere abschieben, kann zu meinen Fehlern ehrlich stehen und auf einen radikalen Schuldenschnitt hoffen.