Kraft in der Ausnahmesituation

In den Seniorenheimen hat die Coronavirus-Pandemie viel im täglichen Leben verändert. Das beobachtet auch der Heimleiter Jörg Fuhrmann.

Morgengedanken 17.8.2020 zum Nachhören (bis 16.8.2021):

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Als Heimleitung wurde ich in den letzten Monaten mit zahlreichen Empfehlungen, Richtlinien, Vorgaben, Standards und Gesetzesvorlagen konfrontiert, welche es galt einzuhalten, umzusetzen und durchzuführen. Einerseits gaben diese Sicherheit im Umgang mit der unsichtbaren Gefahr und andererseits bedeuteten diese einen massiven Eingriff in unser Leben. Aus zehn Geboten wurden Richtlinien, aus Weihwasser wurde Desinfektionsmittel und aus gelebter Nähe wurde ein Leben mit Sicherheitsabstand.

Jörg Fuhrmann
ist Seniorenheimleiter und Trauerbegleiter in St. Johann im Pongau in Salzburg

Ein neues Gespür

Es war und ist nicht immer leicht, dies alles anzunehmen, zu vertreten und umzusetzen Tag für Tag. Ebenso beschäftigte mich die Frage, was ist falsch und was ist richtig für die mir anvertrauten Menschen und für mich selber?

Eine ältere Dame beobachtete ich während der letzten Monate, wie sie täglich gegen die Vorgaben, Verbote und Richtlinien im Dunkeln den Weg in die Kapelle unseres Hauses gegenüber von meinem Büro suchte. Jeden Abend zur gleichen Zeit. Dort saß sie im Dunkeln mit verschlossenen Augen fast eine Stunde, bevor sie wieder zurück ins Zimmer ging. Auf meine Frage, was sie dort mache, antwortete sie mir, ich bete für uns alle, wir beten zu wenig.

Ich fragte sie, welches Gebet sie gerne beten würde, darauf entgegnete sie mir, ich liebe die Stille. In der Stille spüre ich die Nähe Gottes, und diese fühlt sich wärmend und tröstend an. Sie schaute mich an und meinte „beten Sie“. Ich wünsche uns allen ein neues Gespür für das Gebet im Leben.