Kein Platz für Fehler

So gut wie möglich soll alles sein – oder vielleicht sogar noch etwas besser…? Wer nach dieser Devise lebt, der hat es wohl mitunter recht anstrengend.

Morgengedanken 28.8.2020 zum Nachhören (bis 27.8.2021):

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Perfekt! Wir leben in einer Zeit und in einer Gesellschaft, da soll alles „perfekt“ sein: der Beruf und mein Urlaub, die Figur und die Freunde, das Wetter und die Unterhaltung. Wir leben in der Vorstellung – vielleicht sogar in dem Wahn – es müsse alles passen, ideal und einfach perfekt sein!

Dr. Gerhard Reitzinger
ist Domkapitular und Experte für Seelsorge in der Diözese St. Pölten

Fehlerfreundlichkeit

Nicht erst die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie zerbrechlich, verletzlich und verwundbar wir sind. Dennoch bleibt kaum Platz für Fehler, Mängel und Blessuren. Es darf keine Schwachstellen geben, keine Narben und keine Unzulänglichkeiten. Deshalb sind wir zum einen sehr konsequent, die Fehler bei anderen aufzudecken, und zum anderen sind wir Spezialisten darin, diese bei uns selber zu verbergen. Und so laufen wir dem „perfekten Leben“ ständig hinterher: atemlos, gnadenlos, hoffnungslos.

Es geht auch anders. Jesus lehrt uns „Fehlerfreundlichkeit“. In einem Gleichnis über das Himmelreich spricht er vom Weizen und Unkraut. Während die einen fragen „Sollen wir gehen und das Unkraut ausreißen?“, gibt er die Antwort: „Nein, damit ihr nicht zusammen mit dem Unkraut den Weizen ausreißt. Lasst beides wachsen bis zur Ernte.“ Lasst beides wachsen. Vielleicht zeigt sich das, was wir jetzt für Unkraut halten, als Heilmittel - als kostbare Ernte unseres Lebens. Perfekt wird erst die Vollendung sein! Jetzt darf ich „fehlerfreundlich“ leben.